Brasilien und der Kaffeeanbau

Brasilien und der Kaffeeanbau

Kaffeeanbau in Brasilien

Kaffee aus Brasilien

Brasilien und der Kaffee: eine janusköpfige Geschichte. Der „Cafezinho“ ist im Land allgegenwärtig: starker, schwarzer Kaffee, in kleinen Tassen serviert und „brühheiß“ in einem Zug getrunken. Die Brasilianer sind auf dem besten Wege, den Spitzenreiter im Kaffeeverbrauch, die USA, zu entthronen. Von 48 Mio. Säcken Kaffee verschwanden im Jahr 2010 in brasilianischen Kehlen mehr als 37 %. Die Kehrseite der riesigen Kaffeeanbaugebiete: Monokulturen, ausgelaugte Böden und für die Bauern oft nur ein Einkommen, das kaum das Existenzminimum abdeckt.

Brasilien und seine Kaffeeanbaugebiete

Mehr als 200 Mio. Brasilianer bevölkern eine Landfläche, die mehr als 47 % Südamerikas einnimmt. Den Norden des Landes prägen die Regenwälder des Amazonas Tieflandes, Gebirge und Hochebenen dominieren die südlichen Regionen Brasiliens. Alle Großstädte liegen – bis auf die Hauptstadt Brasilia – an der Atlantikküste.

In der Nähe des Atlantiks befindet sich auch der Ciclo do Café – das Dreieck zwischen Rio de Janeiro, São Paulo und Belo Horizonte. Diese Regionen, sowie die Savannen Zentralbrasiliens und der weiter südlich gelegene Bundesstaat Paraná liefern ca. 98 % der brasilianischen Kaffee-Ernte. Angebaut wird Kaffee in kleinerem Umfang jedoch in 17 von 26 Mitgliedsstaaten des föderalistisch organisierten Landes.

Die Kaffeesorten der atlantischen Küstenregionen zeichnen sich durch ihr Seewasseraroma aus. Dieser spezielle Kaffeegenuss wird besonders in Nordafrika, in Osteuropa und dem Mittleren Osten geschätzt. Kultiviert werden zudem zahlreiche Arabica-Sorten mit unterschiedlichen Aromen, auch Robusta-Arten, in Brasilien „Conillon“ genannt. Eine Wiederentdeckung sind köstliche alte Arabica Bourbon Santos Kaffeesorten im Cerrado: Weiche, mild-würzige Aromen korrespondieren mit einem Hauch von Vanille.

Grundsätzlich ist brasilianischer Kaffee von eher durchschnittlicher Qualität. Ursächlich dafür sind die überwiegend maschinellen Ernteverfahren. Anders als bei der Kaffee-Ernte in Handarbeit, bei der in mehreren Erntegängen jeweils nur die reifen Früchte geerntet werden, streifen Maschinen alle Kaffeekirschen ab: Eine Minderung der Qualität ist die Folge. Brasilianischer Kaffee ist jedoch in fast allen Kaffeemischungen enthalten und es gibt natürlich auch hochwertige, handgeerntete brasilianische Varietäten.

Filterkaffee aus Brasilien ohne Gentechnik Fairtrade

Kaffeeverarbeitung

Für brasilianischen Kaffee gelten drei Kategorien: gewaschene Bohnen – „Milds“, ungewaschene, sonnengetrocknete Rohware – „Brazil“ sowie „Other Arabics“.

Für brasilianischen „Mild“ Kaffee (gewaschen) braucht es einen einheitlichen Reifegrad. Also müssen die Früchte sortiert werden. Die Separation und Reinigung (Pulping) erfolgt durch fließendes Wasser. Innerhalb von 12 bis 24 Stunden müssen die Kaffeebohnen weiter verarbeitet werden. Im nächsten Arbeitsschritt durchlaufen sie eine Walzenquetschmaschine. Die Kaffeekirschen werden zur Fermentierung in ein Becken verbracht und verbleiben dort – je nach Witterung – 6 bis 80 Stunden. Anschließend trocknen die Kerne in der Sonne oder werden maschinell getrocknet. Zum Abschluss wird das Pergamenthäutchen der Bohne entfernt.

Ein Teil des brasilianischen Kaffees wird trocken aufbereitet („Brazil“). Während der mechanischen Ernte erfolgt die Vorsortierung der Früchte. Sie werden ausgebreitet und das Fruchtfleisch trocknet an der Sonne. Dieses Verfahren verstärkt den kräftigen Geschmack der Bohnen und den Koffeingehalt. Das trockene Fruchtfleisch wird mechanisch entfernt – zuletzt auch die Pergamenthaut, die den Kern umgibt.

Historisches – die Menschen hinter dem Kaffee

Im Jahr 1727 gelang es einem Portugiesen mit List und Tücke, eine Anzahl Kaffeesamen aus Äthiopien herauszuschmuggeln und nach Brasilien zu bringen. So bescheiden dieser Auftakt auch aussah – der Kaffeeanbau veränderte das Brasilien des 19. Jahrhunderts tief greifend. Die Bewirtschaftung der riesigen Kaffeeplantagen und der Reichtum der Kaffeebarone wurden nur durch die Verschleppung schwarzafrikanischer Menschen nach Brasilien möglich. Unter schlimmen Lebens- und Arbeitsbedingungen wurden die Sklaven zur Arbeit auf den Kaffeeplantagen gezwungen. Eine Besonderheit der brasilianischen „Sklavenhaltung“: Familienverbände wurden nicht geduldet. 75 % der Sklaven waren Männer. Immer wieder kam es zu Aufständen auf den Plantagen, bis die Sklaverei im Jahr 1888 durch das „Goldene Gesetz“, die „Lei Aurera“, ein Ende fand. Trotzdem blieben viele der Arbeiter auf den Plantagen. Es gab für sie wenig Alternativen. Um Arbeitskräfte zu gewinnen, wurden mit der Aussicht auf eigenes Land, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts europäische Einwanderer angeworben. Deutsche, Österreicher und Schweizer kamen nach Brasilien. Sie hatten sich verpflichtet, in Brasilien die Kosten für ihre Überfahrt zu bezahlen und gerieten in Schuldenknechtschaft. Die versprochene Landreform kam nie zustande. Bis heute hat Brasilien übrigens kein funktionierendes Grundbuchsystem.

Wirtschaftsfaktor Kaffee

Der Kaffeeanbau ist ein bedeutsamer Wirtschaftsfaktor für Brasilien. Das Land hat mehr als 4 Millionen Kaffeebäume. 75 % der Betriebe sind Kleinbauern mit wenig Land und einem Einkommen, das häufig kaum ausreicht, um die Grundbedürfnisse der Familien zu erfüllen.

Anfang des 19. Jahrhunderts entstand das Eisenbahnnetz Brasiliens – die Transportbasis für die Kaffee-Ernte aus dem Inland zu den Häfen. Bereits 1830 betrug der Anteil des brasilianischen Kaffees an der Weltproduktion 25 % – gegen Ende des Jahrhunderts lieferte Brasilien bereits 75 % der gesamten Weltproduktion. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist Brasilien der weltgrößte Kaffeeproduzent. Das Land war finanziell vom Kaffeeanbau abhängig. Inzwischen spielt Brasilien auch in anderen Rohstoff-Bereichen eine Rolle – nur noch ca. 10 % des brasilianischen BIP’s werden durch Kaffee erwirtschaftet. Der Exportanteil des Kaffees beträgt aber immerhin noch 20 %. Auf den 220.000 Großplantagen (Fazendas) sind etwa 3,5 Mio. Menschen beschäftigt. Auf 2 Mio. Hektar Land wird Kaffee angebaut.

Bis 1989 existierte ein Kaffeekartell, das durch Absprachen zwischen Erzeugern und Abnehmern die Kaffeepreise relativ stabil hielt. Ab 1990 entfiel diese Regulierung der Kaffeepreise. Die Rohkaffeepreise unterliegen seitdem den Schwankungen der Freien Marktwirtschaft. Ein Tiefpunkt dieser Entwicklung zeigte sich im Preisverfall des Kaffees 2002/2003, in der Kaffeekrise. Inzwischen beherrschen fünf Großkonzerne den weltweiten Kaffeemarkt: Nestlé, Procter & Gamble, Kraft, Tchibo und Sara Lee. Aber auch die Klimaveränderungen machen dem Land zu schaffen. 2014 war Brasilien von einer Dürre betroffen: Ohne die erforderlichen Niederschlagsmengen leidet die Qualität des Kaffees und die Kaffee-Ernte fiel gering aus.

Die Kleinbauern haben kein leichtes Leben. Durch die Instabilität der Weltmarktpreise haben sie es schwer, gegen die Großbetriebe zu bestehen. Zahlreiche Fazendas wurden aus wirtschaftlichen Gründen von ihren Eigentümern aufgegeben. Der neue, positive Trend: Zwischen Rio de Janeiro und São Paulo sind einige dieser verlassenen Fazendas zu Hotels umgebaut worden. Touristen wohnen in den charmanten und komfortabel ausgestatteten Häusern der ehemaligen Kaffeebarone und erleben die Kaffeeproduktion hautnah. Urlaub auf der Kaffeeplantage interessiert auch zunehmend die Brasilianer, handelt es sich doch um einen wichtigen Teil ihrer Geschichte.

Schattenseiten des brasilianischen Kaffeeanbaus

Brasilianischer Kaffee wird in meist unbeschatteten Monokulturen angebaut. Das macht die Pflanzen anfällig für allerlei Krankheiten und Schädlinge. Um Höchsterträge zu erzielen, werden deshalb hochgefährliche Pestizide gegen den Kaffeebohrer, Blattminimierer und Pilzbefall eingesetzt. Boden und das Wasser des Landes sind kontaminiert. Die Folge: erhebliche Vergiftungserscheinungen bei Plantagenarbeitern wegen mangelnder Aufklärung und unsachgemäßem Umgang mit den Pflanzenschutzmitteln. Häufig fehlt es auch an Schutzkleidung. 1998 lag die Zahl der offiziell gemeldeten Vergiftungsfälle bei 263.000. Die Dunkelziffer gesundheitlich beeinträchtigter Plantagenarbeiter soll dem Vernehmen nach weitaus höher liegen. Die Problematik ist bekannt und es gibt Bestrebungen, die Situation zu entschärfen und den Kaffeeanbau nachhaltiger zu gestalten. Gütesiegel wie „Fair Trade“, Rainforest Alliance für ökologisch nachhaltigen Kaffeeanbau, weisen in diese Richtung.

Kaffee Brasilien heißt: maschinelle Pflückung und Pestizide

Obwohl das Pflücken der Kaffeebohnen überwiegend von billigen Wanderarbeitern durchgeführt wird, sind auch diese Kosten vielen Großplantagenbetreibern zu hoch und es werden Maschinen eingesetzt. Damit die Kaffee-Pflück-Maschinen richtig arbeiten können, darf auf dem Boden nichts wachsen. Um dies zu erreichen, werden hochgiftige und krebserregende Pestizide wie Opera oder Endusulfan versprüht. Dieses Mittel darf in Brasilien seit 2013 nicht mehr eingesetzt werden. In der EU ist Endusalfan bereits seit 2005 verboten. Übrigens: Deutschland ist Weltmeister in der Herstellung und Verkauf von Pestiziden. Die Konsequenzen einer übermäßigen Verwendung von Pestiziden sind Krankheiten wie z.B. Parkinson. Nachweislich und zunehmend leidet die brasilianischen Kaffee-Bevölkerung unter Krankheiten, deren Entstehen mit dem Einsatz von Pestiziden in Zusammenhang steht. Besonders beunruhigend ist die Tatsache, dass die Flüsse, aus denen die Bevölkerung ihr tägliches Wasser entnimmt, schon lange durch Pestizide verunreinigt sind.

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